Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, gab dem ZDF-Morgenmagazin (moma) ein Interview. Am selben Tag sprach er zudem auf einem Symposium in Berlin. Der Titel der Veranstaltung lautete: “Wertvoll und wehrhaft – Die Demokratie im Wettstreit mit dem Autoritarismus”. Die “Expertinnen und Experten aus Sicherheitsbehörden, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien” diskutierten laut Ankündigung über einen vermeintlichen “Systemwettstreit, in dem sich europäische Demokratien mit autoritären Regimen befinden” würden.
Zu Beginn des ZDF-Interviews behauptete Haldenwang nach der Frage des Moderators “Für wie gefährdet halten Sie unsere Demokratie durch autoritäre Staaten?”:
“Zunächst muss man voranschicken, dass Deutschland eine sehr stabile Demokratie ist. Dass wir sicherlich eine der stabilsten Demokratien weltweit haben und stolz darauf sein können.”
“Diese Demokratie” gerate aktuell “zunehmend unter Druck”. Es würden sich laut Haldenwang “Angriffe” zeigen ‒ diese erfolgen von “verschiedenen Seiten, von innen und von außen”. Jenen Angriffen müsse nun etwas “entgegengesetzt werden”, da ansonsten berechtigter Grund zur Sorge vorliege.
Der Moderator spielte dann dem Verfassungsschutzchef den Argumentationsball zu, dass die äußerlichen Angriffe derzeit “auch sehr stark aus Russland” erfolgten. Mit Blick auf die Analyse dessen, “wie Russland versuche, die Demokratie zu destabilisieren”, merkte Haldenwang an, dass dabei “verschiedene Ebenen” zu betrachten seien. So erfolgten Versuche “über russische Staatsmedien, … weiteren Medien im Internet” sowie durch “Einflusspersönlichkeiten, die hier in Deutschland sind”. Namen wollte oder konnte Haldenwang dabei nicht benennen, beziehungsweise erfolgte keine diesbezügliche Nachfrage durch den Moderator. Wörtlich erklärte der BfV-Präsident, erneut ohne genauere Informationen oder Beispiele für die Zuschauer zu präsentieren:
“Wir hatten ja auch eine ganze Reihe russischer Agenten hier in Deutschland stationiert. Auch deren Aufgabe ist es, Kontakte zu knüpfen, Politiker anzusprechen, Personen der Medien anzusprechen, um auf diese Weise Narrative zu verbreiten.”
Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) gelte laut dem Moderator als eine Gruppierung “mit teilweise sehr engen Kontakten nach Russland”. Die jüngste Teilnahme des AfD-Vorsitzenden Chrupalla an einem Empfang in der russischen Botschaft in Berlin gelte als “demonstratives Zeichen” und damit als Beleg. Zum Thema einer unterstellten “Einflussnahme Russlands auf die AfD im Bundestag”, so der Moderator, teilte Haldenwang mit, dass er “diese Aktivitäten im Bundestag nicht zu bewerten” hätte.
Was jedoch zu beobachten wäre, sei, dass “Teile der AfD Extremismus befördern”. Und weiter:
“Hass, Hetze verbreiten. Der Rechtsextremismus bekommt Teile seiner Ideologie aus diesem Umfeld. Und indem eben auch, aus Teilen der Partei, russische Narrative weitergegeben, weitergesteuert werden.”
Diese vermeintlichen Mechanismen seien dafür verantwortlich, dass “Rechtsextremismus in Deutschland weiter expandieren” könne. Haldenwang wörtlich:
“… und eben in diesen Kreisen Putins Lied gesungen wird.”
Die “Behauptung Russlands”, dass mittels des Krieges in der Ukraine seit Februar 2022 auch eigene russische “Sicherheitsinteressen verteidigt werden”, stelle beispielsweise “so ein Narrativ” dar. Haldenwang schmunzelnd:
“Natürlich, das ist das, was man aus dem Kreml hört. ‘Der Westen hat eben Russland unter Druck gesetzt’, ‘der Westen will die NATO ausweiten’ und eins zu eins werden diese Kreml-Narrative eben dann hier, durch entsprechende Gruppierungen und Teile der AfD, weiterverbreitet.”
Inzwischen würden auch “deutsche Medien”, ohne Namensnennung, diese Narrative übernehmen und damit “dieser Propaganda eine gewisse Reichweite” ermöglichen. Der Verfassungsschutzpräsident warnte im Anschluss auf dem Symposium in Berlin vor einem “erhöhten Risiko” für russische Sabotageakte auch in Deutschland. Haldenwang wird mit den Worten zitiert:
“Diese Fähigkeiten sind faktisch vorhanden und können im Bedarfsfall auch gegen deutsche Ziele und vor allen Dingen kritische Infrastrukturen eingesetzt werden.”
Auf der Webseite des BfV heißt es:
“Insbesondere die Corona-Zeit war ein Motor für Demokratiekritik. Autoritäre Ideen leben von demokratischer Schwäche. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, unsere wehrhafte Demokratie zu schützen. Der Verfassungsschutz trägt dazu bei, indem er frühzeitig legitimen Protest von Bestrebungen unterscheidet, die unserer Demokratie schaden wollen, und diese öffentlich macht.”
So hätten sich jedoch “die konventionellen Zugänge zu Informationen für Russland drastisch reduziert”, nachdem “europaweit mehrere hundert Nachrichtendienstmitarbeiter Russlands ausgewiesen worden” wären. Dadurch sei Russland “gezwungen, ihr hohes Aufklärungsinteresse durch alternative Methoden zu stillen”. Hierzu würden “Cyberangriffe, klassische Agenten oder sogenannte eingeschleuste Illegale mit falscher Identität” gehören.
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