Von Alexander Männer
Die Neue Entwicklungsbank der Staatengemeinschaft BRICS (New Development Bank, NDB) war von deren Mitgliedern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika vor inzwischen mehr als acht Jahren im brasilianischen Fortaleza gegründet worden, um die Finanzierung von Infrastrukturprojekten und anderen Aspekten einer nachhaltigen Entwicklung in den BRICS-Staaten sowie in den Entwicklungsländern zu gewährleisten. Zugleich gehörte die Sicherung der finanziellen Sicherheit in den fünf Schwellenländern, die einen gleichen Anteil von Aktien und jeweils eine Stimme bei der NBD besitzen, zu den Aufgaben der Bank.
In den acht Jahren ihrer Tätigkeit hatte die NDB rund 80 Projekte mit Investitionen von insgesamt 30 Milliarden US-Dollar genehmigt. Zudem hat die Bank den BRICS-Mitgliedern zehn Milliarden Dollar für den Kampf gegen die COVID-19-Pandemie zur Verfügung gestellt.
Instrument im Kampf gegen US-Finanzhegemonie
Doch das sind nur Teilstücke des großen Ganzen, für das die NDB gedacht war. In Wirklichkeit geht es um die Beendigung der Hegemonie der von den westlichen Industrieländern geschaffenen und von dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der Weltbank verkörperten Finanzstrukturen.
Bezeichnend für die Gründung der NDB waren nach Ansicht von Experten der Zeitpunkt und die politische Lage, als diese Institution ins Leben gerufen wurde. Es war 2014, also die Phase, in der die BRICS öffentlich ihren Unmut über die Dominanz Europas beim IWF sowie der Wahl von Christine Lagarde zur Chefin dieser Institution bekundet hatten. Damals kritisierte die Ländergruppe den IWF ebenfalls sehr scharf dafür, Reformen der Quoten und der Verwaltung nicht umgesetzt zu haben, die den Entwicklungsländern mehr Entscheidungsmacht ermöglicht hätten. Der entsprechende Beschluss über die Umverteilung der Quoten war zwar in Kraft getreten, allerdings ist die Überprüfung der Berechnungsformel für die Quoten immer wieder verschoben und bis heute nicht umgesetzt worden.
“Wir sind nach wie vor enttäuscht und ernsthaft besorgt über die Nichtumsetzung der IWF-Reformen von 2010, was sich negativ auf die Legitimität, Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des Internationalen Währungsfonds auswirkt”, hieß es damals in einer Erklärung der BRICS.
Laut Paulo Nogueira Batista Jr., dem bekannten brasilianischen Ökonomen und ehemaligen Vizepräsidenten der NDB, hätten die BRICS sich niemals für die Gründung einer neuen Entwicklungsbank entschieden, “wenn diese Institutionen flexibler gewesen wären”. So aber wollte man vor allem die globale Architektur für Entwicklungsfinanzierung verändern, und zwar dadurch, dass man für den Geldbedarf der Entwicklungsländer sorgt und damit die Möglichkeit gewährleistet, dass diese Volkswirtschaften sich einer Phase weiterentwickeln, in der es weltweit nicht genug Kredite gab.
Bisherige Entwicklung der NDB
Die NDB sollte quasi als Stütze für die Entwicklungsländer fungieren und sich dabei wie keine andere Kreditgesellschaft durch Innovation und Transparenz auszeichnen. Ihre Gründung hatte zunächst auch Aussicht auf Erfolg gehabt, doch nach der anfänglichen positiven Erwartungshaltung hatte sich sehr schnell Ernüchterung unter den Beobachtern breitgemacht. In den vergangenen Jahren war der Werdegang der NBD deshalb auch von Kritik begleitet worden.
Auch Batista hatte mehrfach auf die langsame Entwicklung der NDB hingewiesen, Ergebnisse hervorzubringen und ihr Ziel zu erreichen, eine globale Entwicklungsbank zu werden. Im vergangenen Jahr will der Brasilianer jedoch Fortschritte erkannt haben: “In den vergangenen zwei Jahren scheint sich die Bank etwas mehr entwickelt und einige Ergebnisse erzielt zu haben.[…] Zum Beispiel hat sie Projekte genehmigt, einschließlich der Unterstützungsprogramme für den Kampf gegen COVID-19, stellte weiterhin Mitarbeiter ein, gründete ihren Hauptsitz, entwickelte sich technisch weiter und begann mit der Ausweitung der Mitgliedschaft.”
Grundsätzlich würdigen Experten die Tatsache, dass die NDB überhaupt gegründet werden konnte. Immerhin waren daran fünf zum Teil sehr unterschiedliche Länder beteiligt, die sich in der Vergangenheit nicht unbedingt immer einigen konnten. Man denke da nur an das schwierige Verhältnis zwischen China und Indien.
“Für eine Entwicklungsbank ist ihre Wirkung nicht gering”, sagte vor einigen Jahren Paulo Esteves, Direktor des BRICS Policy Center. “Wir sprechen über die Finanzierung von Ländern, die bis dahin keine Kreditlinien hatten, und dieser Engpass wurde gelöst, von dieser und von anderen Banken.”
Darüber hinaus ist zu betonen, dass die NBD auch manche Innovationen eingeführt hat, wie etwa die Kreditgewährung in der entsprechenden Regionalwährung, um die Kreditnehmerländer vor einem stärkeren Dollar zu schützen. Außerdem haben bereits zahlreiche Länder ihr Interesse an einem Beitritt zur NDB bekundet, wenngleich bis vor Kurzem nur drei Länder beigetreten waren. So wurden im vergangenen Jahr Bangladesch, Uruguay und die Vereinigten Arabischen Emirate als Mitglieder aufgenommen.
Zuletzt war in dieser Frage auch von einer Aufnahme Ägyptens die Rede. Die Regierung des nordafrikanischen Landes, das der BRICS-Gruppe ebenfalls nicht angehört und bisher lediglich den Wunsch bekundete, sich der Staatenvereinigung anzuschließen, hat Anfang Dezember nämlich offiziell den Beitritt Ägyptens zur NDB genehmigt. “Der Ministerrat billigt den Präsidentenbeschluss über die Ratifizierung des Abkommens zur Gründung der New Development Bank und den Beitritt der Arabischen Republik Ägypten zu der Bank”, hieß es Medien zufolge in der entsprechenden Mitteilung.
Fazit
Das anhaltende Interesse an der NDB verdeutlicht, dass die Notwendigkeit für diese Bank in der heutigen von Wirtschaftskrisen und geopolitischen Konflikten geplagten Welt nach wie vor besteht. Angesichts dessen geht es für das Institut darum, zu expandieren und so vielen Entwicklungsländer wie möglich Kredite bereitzustellen, damit diese ihre Infrastruktur weiter ausbauen können. Dies würde auch die BRICS-Vereinigung selbst als internationalen Akteur im Finanzbereich enorm stärken.
Dafür sei genug Zeit vorhanden, wie Batista diesbezüglich bemerkte. Die “strategische Geduld” sei eine der wichtigsten Weisheiten, die er von den Chinesen gelernt habe. “Als Brasilianer bin ich ungeduldig. Aber wir brauchen eine strategische Vision. Die Dinge geschehen nach und nach.”
Mehr zum Thema – BRICS als neues globales Machtzentrum? – Teil 1: Kooperation im Wandel des Weltfinanzsystems