Eigentlich sollte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) am Donnerstag um 11.00 Uhr in ganz Deutschland einen Probealarm der höchsten Warnstufe 1 auslösen. Damit soll zum zweiten Mal nach Ende des Kalten Krieges der Ernstfall geprobt werden. Es sollen Sirenen und Lautsprecherwagen ertönen und über Radio, Fernsehen, Stadtinformationstafeln wie auch die Infotafeln der Deutschen Bahn und, neben den Warn-Apps wie NINA oder Katwarn, erstmals auch per Cell Broadcast, die Bevölkerung gewarnt werden.
Allerdings ist der Probedurchlauf nicht verpflichtend und wird so auch nicht flächendeckend einheitlich durchgeführt. Beispielsweise verzichten einige Großstädte bewusst auf Sirenen, in anderen sind diese nicht funktionstüchtig. Wer ein relativ neues Smartphone besitzt, mehrere Warn-Apps installiert hat und sich in bestimmten Städten aufhält, könnte an diesem Donnerstagvormittag gleich mehrfach alarmiert werden. Wer aber ein sehr altes Handy oder gar kein Mobiltelefon besitzt, oder sich in einer ländlichen Region ohne Warnsirenen aufhält und weder Radio noch Fernseher eingeschaltet hat, bekommt dagegen vielleicht gar nichts vom zweiten bundesweiten Warntag mit.
So werden in mehreren Städten, beispielsweise in Baden-Württemberg und Berlin, bestimmte Warnmöglichkeiten am Probetag nicht ertönen, denn viele sind nicht einsatzbereit. Nach dem Kalten Krieg wurde das Sirenennetz als obsolet eingeschätzt und abgebaut. In anderen Teilen der Welt werden die Bezeichnungen für Naturkatastrophen, ob deren Häufigkeit, knapp und einige US-Politiker erwägen offenbar gar Atomwaffen gegen die tödlichen Plagen. Im Ahrtal hat die Flut-Katastrophe im Sommer 2021 ganz Deutschland wachgerüttelt. Damals wurden Anwohner in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nicht rechtzeitig vor den Fluten gewarnt und teils zu spät evakuiert. Einige Bewohner weigerten sich, ihre Häuser zu verlassen, da sie die Warnungen nicht ernst nahmen. Die Ereignisse verdeutlichen, wie unentbehrlich funktionierende Warnsysteme hierzulande, wie in der ganzen Welt sind.
Mittlerweile wollen Behörden hierzulande besser vorbereitet sein, allerdings hapert es wohl weiterhin an einigen Stellen. Schon beim ersten bundesweiten Warntag am 10. September 2020 war einiges schiefgelaufen. Unter anderem kamen die Meldungen der Warn-Apps Nina und Katwarn erst mit einer guten halben Stunde Verspätung auf den Smartphones an. Im Ernstfall hätten viele Bürger die Warnungen nicht rechtzeitig erhalten. Ein ursprünglich für September 2021 geplanter Warntag war daraufhin abgesagt, ein weiterer vom vergangenen September auf den Dezember verschoben worden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zwischenzeitlich einen „Neustart im Bevölkerungsschutz“ angekündigt und im Sommer dieses Jahres das BBK unter die Leitung von Ralph Tiesler gestellt. Außerdem wurden technische Verbesserungen vorgenommen und an den Netzen gearbeitet. Das BBK arbeitet an einem sogenannten Warnmittelkataster mit Sirenen und anderen Warnmitteln.
Doch gerade die Zuständigkeiten sind ein Problem. Während der Zivilschutz Sache des Bundes ist und im Kriegsfall das BBK in Abstimmung mit anderen Einrichtungen des Bundes die Verantwortung trägt, liegt der Katastrophenschutz in Friedenszeiten in der Verantwortung der Länder und Kommunen. Dennoch hat der Bund den Ländern Geld für den Ausbau der Sirenen zur Verfügung gestellt. Doch beanstanden Kommunen in Baden-Württemberg mangelnde Mittel vom Bund als Grund für deren Nichtteilnahme bei der zweiten bundesweiten Warn-Runde.
Auch in Berlin werden keine Sirenen ertönen. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal wollte das Land neben Warn-Apps auch das klassische Sirenennetz wieder ausbauen, doch von 400 bis Ende des Jahres geplanten Warnsirenen waren bis August lediglich 19 montiert. Zudem ist die Technik für die Anbindung an das Modulare Warnsystem noch nicht betriebsbereit, wofür der Bund zuständig ist. Jedoch soll auch in der Hauptstadt über digitale Anzeigetafeln im Stadtgebiet und Warn-Apps sowie per Cell Broadcast der Probealarm durchgeführt werden. Im Ernstfall würde die gefährdete Bevölkerung auch durch Einsatzkräfte vor Ort, wie Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen sowie per Lautsprecherdurchsagen informiert werden. Zusätzlich würden relevante Behörden, darunter die Senatsverwaltung für Inneres und Sport auch auf Twitter informieren, so der Senat.
Die bundesweiten Warnungen über die NINA-App, Cell Broadcast und die Warnungen über die Signaltafeln in den Städten werden vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn direkt ausgelöst. Bei den Warnhinweisen, die über Radio, Fernsehsender und bei der Deutschen Bahn kommen, geht vom BBK jeweils eine Information an die Verantwortlichen dort, die dann selbst veranlassen, dass die Test-Warnung im Programm angesagt oder als Mitteilung an die Fahrgäste ausgegeben wird. Die Sirenen sollen zwar eines Tages auch direkt angeschlossen werden, sodass das BBK diese im Fall einer bundesweiten Gefahr selbst ansteuern könnte. Momentan ist es aber noch so, dass die Sirenen von der jeweiligen Leitstelle der Feuerwehr ausgelöst werden müssen.
Vom Einsatz des Cell Broadcasts, wodurch eine Benachrichtigung an jedes eingeschaltete, moderne Handy gehen soll, verspricht man sich den Vorteil, dass man auch Handynutzer erreicht, die keine Warn-Apps installiert haben. Ferner hofft man dadurch alle Handys, deren Besitzer sich zum Zeitpunkt der Warnung in einer bestimmten Funkzelle aufhalten, ansteuern zu können, ohne dass die warnende Behörde dafür die Telefonnummern und ihre Besitzer kennen muss. Allerdings sind hier ältere Handymodelle ausgeschlossen, denn ohne die erforderlichen Updates funktioniert Cell Broadast nicht. Ein weiterer Punkt, der in zahlreichen ländlichen Gegenden Deutschlands wohl problematisch sein könnte, ist, dass der Funkempfang eine Voraussetzung für die Warnung ist. Die Bürger können nach dem Testdurchlauf am Donnerstag ihre Erfahrungen an das BKK zurückmelden.
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