Innerhalb der Europäischen Union herrscht offenbar Sorge vor einem drohenden nuklearen Zwischenfall in dem im Süden der Ukraine gelegenen Atomkraftwerk Saporoschje. Denn sowohl die polnische als auch die finnische Regierung haben im Zuge der Kämpfe um das Kraftwerk Jod-Tabletten bevorratet. Aber auch in Brandenburg haben die Landkreise mit der Einlagerung der im Ernstfall lebensrettenden Tabletten begonnen. In Polen sollen die Tabletten vor allem in öffentlichen Einrichtungen wie etwa Schulen, Rathäusern oder Feuerwachen ausgegeben werden, wie der polnische Vize-Minister für Inneres und Verwaltung, Błażej Poboży, zu Beginn der Woche erklärte:
“Das ist eine Art Krisenmanagement. Das ist die Vorbereitung auf den Fall eines Unfalls in einem Kernkraftwerk. Tabletten mit dem so genannten ‘stabilen Jod’ sollen die Schilddrüse vor einer möglichen Exposition und vor der Aufnahme von schädlichem, radioaktivem Jod schützen, das nach einer möglichen Katastrophe in einem Kernkraftwerk freigesetzt wird. Im Moment besteht keine wirkliche Gefahr einer radioaktiven Verseuchung, aber wir wollen auch auf die unmöglichen Varianten vorbereitet sein.”
In der rund 30 km von Warschau entfernt gelegenen Stadt Milanówek werden die Bewohner derzeit informiert, wie sie die Jod-Tabletten im Ernstfall erhalten können. Der Staatssekretär vor Ort erklärte:
“Das Verfahren zur Ausgabe von Kaliumjodid-Tabletten wird mit der entsprechenden Bekanntmachung des Ministers für Inneres und Verwaltung beginnen. Es wird so ablaufen, dass alle Personen, die dieses Präparat einnehmen möchten, zur Ausgabestelle kommen müssen. Die Tabletten werden an Personen bis zum Alter von 60 Jahren und an Kinder mit schriftlicher Zustimmung der Eltern abgegeben.”
Grund zur Besorgnis bestehe laut Angaben der polnischen Regierung derzeit aber nicht. Bei der Maßnahme würde es sich lediglich um ein gesetzlich vorgesehenes Standardverfahren handeln. Es gebe keine aktuelle Belastung durch atomare Strahlung, hieß es aus Warschau. An die Bevölkerung erging zudem eine Warnung, die Jod-Tabletten keinesfalls einfach so einzunehmen.
Finnland setzt auf Eigenverantwortung
Auch in Finnland legen sich derzeit viele Haushalte Jod-Tabletten zu, nachdem das Sozial- und Gesundheitsministerium am Dienstag seine Leitlinien für die Verwendung von Jod im Falle von Strahlungsrisiken aktualisiert hat. Haushalten mit Bewohnern im Alter von drei bis 40 Jahren wird demnach geraten, Jod-Tabletten als Vorsichtsmaßnahme zu erwerben. Die Aktualisierung der Richtlinien löste in Finnland am Dienstag einen Ansturm auf die Apotheken aus. So meldeten viele Apotheken in der Innenstadt von Helsinki bereits, keine Jod-Tabletten mehr vorrätig zu haben.
Brandenburger standardmäßig vorbereitet
Die Einnahme von hochdosiertem Jod ist nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz zwar nur dann notwendig, wenn man sich bis zu einer Entfernung von etwa einhundert Kilometern um einen Unglücksort aufhält. Dennoch deckt sich auch das rund 800 Kilometer von dem nächstgelegenen ukrainischen Kernkraftwerk entfernt gelegene Brandenburg mit Jod-Tabletten ein. Insbesondere in den an Polen angrenzenden Landkreisen laufen die Vorbereitungen auf einen möglichen Ernstfall derzeit auf Hochtouren.
“Die Landkreise sind natürlich nicht nur wegen der aktuellen Situation in der Ukraine, sondern auch wegen möglicher Havarien in zivilen Forschungseinrichtungen oder Atomkraftwerken, die in Deutschland oder den Nachbarländern am Netz sind, schon seit vielen Jahren in der Vorbereitung. Die Pläne existieren und werden auch jährlich aktualisiert”, sagte der Sprecher des Landkreises Märkisch-Oderland, Thomas Berendt, dem rbb.
Die Standorte der zentralen Lagerstätten seien geheim, “aber wir können ohne großen Aufwand und ohne dass viel Zeit vergeht, darauf zugreifen”, so Berendt weiter. Sollte es zu einer Nuklear-Katastrophe kommen, würden die Bürger informiert, wie sie sich zu verhalten hätten und wo die Schutzmittel zu bekommen seien. Eine entsprechende Meldung erhalten die Landkreise im Ernstfall vom Bundesamt für Strahlenschutz. Um bei kleinsten Abweichungen sofort reagieren zu können, misst diese Bundesbehörde die Strahlenbelastung rund um die Uhr. Auffälligkeiten sind derzeit jedoch keine zu verzeichnen.
Sollte es dennoch zu einem Zwischenfall kommen, würden die Jod-Tabletten laut Bundesamt für Strahlenschutz “an Feuerwehrwachen, Rathäusern, Apotheken oder bekannten Wahllokalen an die Bevölkerung abgegeben.” Die Bürger würden dann per Aufruf in den Medien aufgefordert, ihre Tabletten in diesen Ausgabestellen abzuholen.
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