Man könne nicht so tun, als hätte der Krieg in der Ukraine erst am 24. Februar begonnen, schrieb Oskar Lafontaine in seinem Beitrag in der Berliner Zeitung. Entscheidender Punkt der Vorgeschichte sei das Selbstbild der USA als “auserwählte Nation”, die das Recht habe, die Welt zu beherrschen, und dementsprechend das Aufkommen jeglicher Konkurrenz zu unterdrücken.
“Wenn man diesen Anspruch akzeptiert und gleichzeitig weiß, dass die USA den mit Abstand größten Militärapparat der Welt haben, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass es das Beste ist, sich unter die Fittiche dieser einzigen Weltmacht zu flüchten.”
Allerdings sei die Politik der USA nicht friedlich, sondern aggressiv und ziehe die Bündnispartner immer mit hinein, beispielsweise über den US-Flughafen Ramstein in Deutschland.
“Daher ist Deutschland, wenn die Amerikaner Kriege führen, immer Kriegspartei, ob es will oder nicht.”
Die Tatsache, dass “US-Kriegsminister Lloyd Austin” zu einer Konferenz in Ramstein einlud, sei Beleg dafür, dass Deutschland nicht souverän sei.
Die USA hätten bereits seit Bill Clinton darauf abgezielt, die Ukraine in die NATO einzubeziehen, und seit 2014 deutlich gezeigt, dass sie keine Rücksicht auf russische Sicherheitsinteressen nähmen. Die Bedrohung sei real, weil es von der Ukraine aus keine Vorwarnzeiten gebe.
“Man stelle sich vor, Kanada, Mexiko oder Kuba würden Truppen Chinas oder Russlands auf ihrem Territorium zulassen und gleichzeitig Raketenbasen ermöglichen, von denen aus Washington ohne Vorwarnzeit erreicht werden könnte.”
Die NATO sei kein Verteidigungsbündnis.
“Wie lange wird es dauern, bis Deutschland nach all den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte endlich begreift, dass es seine Sicherheit selbst in die Hand nehmen und sich von den USA unabhängig machen muss?”
Lafontaine verweist darauf, dass es in der Geschichte der Bundesrepublik durchaus eigenständige Außenpolitik gegeben habe; schließlich sei den Politikern bewusst gewesen, dass ein “begrenzter Atomkrieg”, wie er in den USA in Betracht gezogen wurde, auf europäischem Boden ausgefochten würde.
“Aktuell ist eine die Interessen Deutschlands in den Vordergrund rückende Außenpolitik noch nicht mal im Ansatz zu erkennen. Die führenden Politiker der Ampel, Scholz, Baerbock, Habeck und Lindner, sind treue US-Vasallen.”
Die deutsche Außenpolitik brauche eine Neuorientierung. Deutschland und Frankreich hätten gemeinsam die Möglichkeit, sich von den USA abzukoppeln.
“Es ist höchste Zeit, damit zu beginnen. Wir können uns nicht immer darauf verlassen, dass bei einer kriegerischen Zuspitzung besonnene Militärs einen atomaren Weltbrand verhindern.”
Es sei existentielles Interesse der Europäer, wenn auch nicht der USA, ein schnelles Ende des Kriegs in der Ukraine zu erreichen.
“Europa hat jetzt die höchsten Energiepreise. Europäische Industriebetriebe sind dabei, abzuwandern und neue Niederlassungen in den USA zu gründen.”
Die aktuelle Politik zerstöre große Teile der deutschen Industrie, führe zu einer Verarmung großer Teile der Bevölkerung und bringe die Gefahr eines Atomkriegs mit sich.
“Angesichts dieser Situation sollten auch die außenpolitisch unbedarften Ampelpolitiker begreifen, dass an der Selbstbehauptung Europas kein Weg vorbeiführt. Ein erster Schritt wäre das Drängen auf einen Waffenstillstand, die Vorlage eines Friedensplanes und die Inbetriebnahme von Nord Stream 2.”
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