Das Bundeskartellamt stufte den Online-Riesen Amazon am Dienstag als ein Unternehmen mit “überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb” ein. Somit unterliegt die US-Plattform, wie auch schon Alphabet, der Mutterkonzern von Google, und Meta, den erweiterten Regeln der Marktmissbrauchskontrolle zur Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken. Anders als Google und Meta akzeptiert Amazon die Entscheidung nicht. “Wir stimmen den Feststellungen des Bundeskartellamts nicht zu und werden die Entscheidung sowie unsere Optionen, auch Rechtsmittel, sorgfältig prüfen”, hieß es in einer ersten Reaktion am Mittwoch.
Das Kartellamt bekam im Jahr 2021 mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mehr Vollmachten bei Unternehmen mit marktübergreifendem Einfluss und kann ihnen Praktiken untersagen, die aus seiner Sicht den Wettbewerb gefährden. “Wir haben entschieden, dass der Konzern auch im kartellrechtlichen Sinne ein Unternehmen von überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist”, so Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, anlässlich der Einschätzung.
Amazon habe seine Angebote als Händler, Marktplatz, Streaming- und Cloud-Anbieter zu einem digitalen Ökosystem verbunden. Im deutschen Online-Einzelhandel werde laut Bundeskartellamt jeder zweite Euro bei Amazon ausgegeben werden. Mit weltweiten Umsatzerlösen von rund 400 Milliarden Euro im Jahr 2021, davon rund 32 Milliarden Euro in Deutschland, gehöre Amazon zu den umsatzstärksten Unternehmen der Welt.
“Amazon ist der zentrale Schlüsselspieler im Bereich des E-Commerce”, erklärte der Kartellamts-Präsident. Die Behörde sieht für Amazons Handelsplattform eine “zentrale strategische Position im deutschen Online-Einzelhandel”. Auf der Plattform können andere Händler ihre Artikel über Amazon verkaufen. In Deutschland besitzt das Unternehmen bei Marktplatzdienstleistungen für gewerbliche Händler einen umsatzbezogenen Marktanteil von mehr als 70 Prozent und ist damit nach Auffassung des Bundeskartellamtes marktbeherrschend.
“Bei seinen Marktplatzdienstleistungen für Dritthändler halten wir Amazon für marktbeherrschend”, betonte Mundt. Damit greife hier auch die klassische Missbrauchsaufsicht. Amazon könne den Zugang anderer Unternehmen zu Absatz- und Beschaffungsmärkten kontrollieren und dabei seine Doppelrolle als Händler und Marktplatz ausspielen.
Zudem verweist das Kartellamt auf den Abo-Dienst Prime, in dem unter anderem neben kostenloser Lieferung auch der Zugang zu Musik- und Videoangeboten enthalten ist. Mit Prime gelinge es Amazon, Nutzer “zum vermehrten Konsum im Ökosystem zu animieren, der dann anderen Anbietern mit ihren Angeboten nicht mehr zugänglich ist”. Amazon macht keine Angaben zur Zahl der Prime-Kunden in Deutschland und nennt nur die weltweite Zahl von mehr als 200 Millionen Nutzern.
Dass der US-Konzern besonders profitierte, während andere Unternehmen durch die Corona-Pandemie Verluste hinnehmen mussten, monierten bereits früher Beobachter wie der Linken-Politiker Fabio de Masi.
„Während kleine und mittlere Unternehmen von der Corona-Krise stark getroffen sind, sind Digitalkonzerne wie Amazon noch mächtiger geworden. Das verzerrt den Wettbewerb. https://t.co/WKr0MKJR7l@Linksfraktion
— Fabio De Masi ???? (@FabioDeMasi) April 14, 2021
“Zusammenfassend deckt Amazon im E-Commerce marktübergreifend ein Leistungsangebot in einer Breite und Tiefe ab, wie dies sonst von keinem Wettbewerber Amazons aus einer Hand angeboten wird”,
schlussfolgerte das Kartellamt in seinem Fallbericht.
Der Konzern sieht seine Position anders und entgegnet: “Amazon ist in erster Linie ein Einzelhändler” – und der Gesamtanteil des E-Commerce am deutschen Einzelhandelsumsatz sei für das Jahr 2021 durch den Handelsverband Deutschland auf lediglich 14,7 Prozent geschätzt worden. Man konkurriere mit vielen etablierten deutschen und internationalen Unternehmen, und das gelte auch für das Geschäft des Unternehmens in anderen Branchen.
Bei Ermittlungen der EU-Wettbewerbshüter zu Amazons Marktplatz erzielte das Unternehmen unterdessen laut einem Medienbericht eine grundsätzliche Einigung. Amazon werde mehr Daten mit anderen Händlern teilen und das Produktangebot ausbauen, schrieb die Financial Times am Mittwoch. Die EU-Kommission ging dem Verdacht nach, dass Amazon als Plattformbetreiber andere Händler benachteilige. Nun soll die Meinung von Amazons Wettbewerbern zu der Vereinbarung eingeholt werden, damit der Deal nach dem Sommer offiziell festgezurrt werden könne, berichtete die Zeitung.
Ab Zustellung der Entscheidung des Bundeskartellamts hat Amazon einen Monat Zeit, um Widerspruch einzulegen. Die Google-Mutter Alphabet wurde im Januar als ein solches Unternehmen eingestuft, Meta folgte im Mai. Zu Apple laufen noch Untersuchungen.
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(rt de/ dpa)