Innerhalb der vergangenen drei Monate hat die Deutsche Bank laut einem Bericht der Financial Times mehrere Hundert hochqualifizierte Arbeitskräfte von Russland nach Berlin geholt. Wie die Zeitung am Montag berichtete, hatte das größte Kreditinstitut Deutschlands vor dem Krieg in der Ukraine rund 1.500 IT-Fachleute in zwei Software-Technologiezentren in Sankt Petersburg und Moskau beschäftigt. Die Mitarbeiter seien vor allem für die Entwicklung und Wartung von Software für das globale Handelsgeschäft und das Firmenbanksystem verantwortlich gewesen.
Wie drei Gesprächspartner der Zeitung sagten, habe die Bank nach Beginn der Kampfhandlungen ihren Mitarbeitern in Russland angeboten, ihre Arbeitsplätze nach Deutschland zu verlegen. Etwa die Hälfte habe dem Umzug zugestimmt. “Das war keine Evakuierung”, sagte eine Quelle, sondern “ein normaler Umzug von Personal”, aber in einem viel größeren Ausmaß als gewöhnlich. Zusammen mit den Ehepartnern und Kindern seien rund 2.000 Menschen nach Deutschland gezogen. Alle Betroffenen seien offiziell ausgewandert. “Sie haben nicht so getan, als würden sie in den Urlaub fahren”, so ein Insider.
Der Umzug sei relativ reibungslos verlaufen, da Russlands Grenzen offen seien. Da es aber keine Direktflüge aus Russland in die Europäische Union gebe, seien viele Mitarbeiter über Finnland nach Deutschland eingereist. Schwierigkeiten soll es bei der Übersetzung etlicher Unterlagen sowie bei der Mitnahme von Haustieren gegeben haben. Ein Gesprächspartner erzählte: “Wir haben sicherlich mehr über die Haustiere unserer Kollegen erfahren, als wir jemals wissen wollten. Das fängt bei Hamstern an und hört bei Schlangen auf. Und nein, Sie dürfen keine Schlange ins Flugzeug mitnehmen.”
Wie das Handelsblatt berichtete, habe sich der Umzug über viele Wochen hingezogen. Unter anderem mussten einige Mitarbeiter erst ihre Partner heiraten, damit auch sie nach Deutschland kommen durften. Andere mussten neue Reisepässe beantragen. Das Team soll nun in einem eigens geschaffenen Technologiezentrum in Berlin arbeiten.
Vor zwei Jahrzehnten hatte die Deutsche Bank ihr Technologiezentrum in Russland eröffnet und sich dabei stark auf die IT-Kompetenzen des Landes verlassen. Der Verlust des Fachwissens der russischen Mitarbeiter wäre riskant, da er schwerwiegende Folgen für die Wartung der Software haben könnte. Mit der Umsiedlungsaktion wollte man dieses Risiko reduzieren. Weitere IT-Zentren betreibt die Deutsche Bank in den USA, Rumänien und Indien.
Was mit den in Russland gebliebenen Aktivitäten der Bank passiert, geht aus dem Bericht nicht hervor. Man prüfe weiterhin alle Optionen, sagte ein leitender Manager. Anfang März hatte die Deutsche Bank noch erklärt, sie halte die operationellen Risiken aus einer möglichen Schließung des Technologiezentrums in Russland für “sehr begrenzt”.
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