
Von Alexander Jakowenko
Eine aktuelle Studie des Forschungszentrums ROMIR, die sich mit der Wahrnehmung Russlands in der Welt befasst, lässt einen Haupttrend erkennen, der die aktuelle internationale Positionierung des Landes widerspiegelt, nämlich einen entideologisierten, pragmatischen Ansatz gegenüber Russland. Die Russische Föderation wird als Partner im Interesse der eigenen Entwicklung oder, anders gesagt, der gemeinsamen Entwicklung angesehen. Dies ist ein überzeugender Beweis dafür, dass für alle Staaten das Thema Entwicklung in den Vordergrund rückt und dass die Bevölkerung – im Gegensatz zu den verkrusteten westlichen Eliten – eine entideologisierte Sichtweise darauf hat.
Man kann das Verblassen (wenn nicht sogar das “Verbleichen”) des früheren starren westlichen Systems ideologischer Koordinaten und die damit verbundene globale Konfrontation zwischen den Polen Links-Rechts, Kapitalismus-Kommunismus, West-Ost konstatieren: Es gewinnt die Katze von Deng Xiaoping, die “Mäuse fangen” soll, wobei ihre Farbe keine Rolle spielt (Fusion, Synthese, Metamoderne?). Damit wird den liberal-globalistischen Eliten buchstäblich der ideologische Boden unter den Füßen weggezogen, und jetzt spielt auch noch Trumps Amerika eine aktive Rolle in diesem Prozess.
Es bestätigt sich auch die Richtigkeit des Kurses Moskaus, die vielfältige praktische Zusammenarbeit mit den führenden Ländern des Globalen Südens und Ostens im Rahmen solcher Formate wie BRICS und SOZ zu vertiefen. Zur Erinnerung: Im Jahr 2024 wurde die BRICS-Gruppe durch die Aufnahme von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Iran und Äthiopien auf zehn Mitgliedstaaten erweitert, und im Januar dieses Jahres kam Indonesien hinzu – das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung und hohen Wirtschaftswachstumsraten. Auf Initiative Indiens wurde 2023 die Afrikanische Union in die G20 aufgenommen. Und die SOZ umfasst ihrerseits die Länder, die den größten Teil des eurasischen Kontinents ausmachen.
Also, worum geht es eigentlich? In den führenden nicht-westlichen Ländern stimmten 61 bis 84 Prozent der Befragten zu, dass der Einfluss Russlands entweder zunehmen oder auf dem bisherigen hohen Niveau bleiben werde. In westlichen Ländern, einschließlich der führenden Staaten der Europäischen Union, lag dieser Wert zwischen 50 und 64 Prozent, während er in den USA (unter dem ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden) 56 Prozent betrug. Der Anteil der US-Amerikaner, die den Einfluss Russlands verneinten, lag bei marginalen 29 Prozent, während 16 Prozent der Befragten unentschlossen waren.
Entsprechend sprachen sich 49 Prozent der Befragten in Brasilien (30 Prozent waren unentschlossen), 64 Prozent in der Türkei, 69 Prozent in Saudi-Arabien, 63 Prozent in Südafrika, 71 Prozent in Indonesien, 79 Prozent in Indien und 87 Prozent in China für eine Partnerschaft (gemeinsame Interessen und Werte) und eine strategische Zusammenarbeit mit Russland aus. Am stärksten wurde Russland als ein Land, mit dem man sich im Konflikt befindet, in Großbritannien (59 Prozent), der EU (44) und den USA (38) betrachtet. Dabei lagen die Angelsachsen auch bei der Wahrnehmung Russlands als Gegner, mit dem man konkurrieren muss, mit 15 bzw. 17 Prozent an der Spitze.
Die Abkehr der Regierung von US-Präsident Donald Trump von veralteten (traditionellen) Markern der westlichen Politik und die Hinwendung zu einer Friedenslösung im Ukraine-Konflikt auf rationaler Basis – also unter Ablehnung von primitivem Nationalismus und kultureller Ghettoisierung – lassen gleichermaßen auf einen anhaltenden Trend zur Pragmatisierung der Weltpolitik schließen. Sich diesem Trend zu widersetzen, ist – wie die aktuelle Lage in Europa zeigt – nicht nur kostspielig, sondern darüber hinaus auch selbstzerstörerisch. Im Grunde genommen ist der Ukraine-Konflikt ein Relikt aus einer vergangenen Ära und einer Politik der bipolaren Konfrontation in der Parallelrealität der westlichen Eliten. Daher ist sein Ausgang leicht vorhersehbar und steht für niemanden mehr infrage. Selbst die US-Militärs sprachen sich bereits Ende 2022 für eine Verhandlungslösung aus, was die Regierung des ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden damals jedoch ablehnte – unter anderem aus ideologischen Gründen. Und nun fordert auch der finnische Präsident Alexander Stubb die Finnen auf, sich auf den Frieden vorzubereiten: Dabei war es gerade die finnische Elite, die seinerzeit auf einen offensichtlich irrationalen Krieg gesetzt hatte, der die finnische Wirtschaft teuer zu stehen kommt.
All dies wird durch die jüngsten Verhandlungen im Kreml zur Beilegung der Konfliktsituation in der Ukraine und deren positive Bewertung durch beide Seiten sowie durch den Staatsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Indien bestätigt.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 5. Dezember 2025 zuerst bei “RIA Nowosti” erschienen.
Alexander Jakowenko ist ein russischer Diplomat (Außerordentlicher und Befugter Botschafter Russlands) und Rektor der Diplomatischen Akademie beim Außenministerium der Russischen Föderation. Er war Außerordentlicher und Befugter Botschafter Russlands in Großbritannien, stellvertretender Außenminister sowie Mitglied des Diplomatischen Kollegiums des russischen Außenministeriums.
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